Ich gucke oft in ungläubige Augen, wenn ich erzähle, dass nicht nur ANspannung wichtig für einen funktionierenden Beckenboden ist, sondern auch ENTspannung. Die Irritation verstehe ich gut. Denn es klingt ja auch wirklich erst mal komisch. Bei den Funktionen des Beckenbodens denkt man schließlich zunächst mal an Kontinenz. Und um Urin und Stuhl halten zu können, muss der Beckenboden natürlich stark und stabil sein, gut halten können.
Das ist also alles richtig! Aber Stärke allein ist nicht alles (wie immer im Leben ;)). Stattdessen muss der Beckenboden auch nachgeben, loslassen und entspanne können, um wirklich alle seine Funktionen erfüllen zu können. Lass mich mal eine simple Erklärung versuchen:
Punkt 1: Muskulatur soll nicht daueranspannen!
Mein Lieblingsbild für den Beckenboden ist ja das Trampolin. Und das mit Grund: es hilft wirklich enorm, wenn du dir deinen Beckenboden als eine Art Trampolin vorstellst. Er muss zwar stark sein und Druck standhalten können. Diesem Druck hält er aber nicht stand, indem er super fest und starr dagegen drückt. Sondern, indem er elastisch schwingend den Druck abfedert!
Stell dir ein ordentliches Husten oder Niesen vor: In diesen Momenten darf und muss der Beckenboden nach unten nachgeben können. Gleichzeitig muss er dem Druck natürlich standhalten. Das Glück liegt also mal wieder in der Mitte: dein Beckenboden sollte stark UND elastisch zugleich sein.
Oft fehlt es uns aber an der nötigen Elastizität, denn wir sitzen zu viel, bewegen uns zu wenig und haben uns oft unpassende Haltungen oder Bewegungsmuster angewöhnt. Manchmal verstärkt auch ein „falsches“ Beckenbodentraining diese Effekte. Alleiniger Kraftaufbau führt deinen Beckenboden dann in eine Daueranspannung, die deinem Beckenboden auf lange Sicht nicht hilft, sondern im Gegenteil Symptome noch verstärken kann.
Und ja, sogar Inkontinenz kann von einem dauerhaft verspannten Beckenboden kommen! Denn wo der Druck nicht elastisch abgefedert werden kann, geht er auf die Blase und schwups, ist es passiert.
Punkt 2: Der Beckenboden besteht nicht nur aus Muskulatur!
Irgendwie ist es immer erst mal erleichternd zu hören, dass der Beckenboden aus Muskulatur besteht, die entsprechend trainiert werden kann. Bisschen Training, zackzack Muskeln wieder fit, alles wieder gut. Was dabei jedoch leider meistens vergessen wird: dein Beckenboden besteht aus viel mehr als nur Muskulatur!
Die einzelnen Muskelschichten deines Beckenbodens sind von Faszien umhüllt. Dieses Bindegewebe macht einen wichtigen Job, denn wenn es gut in Schuss ist, können die Beckenbodenschichten optimal gegeneinander gleiten und locker und elastisch arbeiten. Auch der Bandapparat, also z.B. die Bänder, an denen die Blase aufgehängt ist, gehören zur Gruppe der Faszien.
Diese ganzen Bereiche sollten wir mit einem guten Beckenbodentraining also auch erreichen. Ein prima Mittel hierfür sind entspannende und sanft dehnende bis schwung- und sprunghafte Übungen. Dadurch halten wir das Bindegewebe „saftig“ und regen es an, beweglich zu bleiben. So kann am Ende auch die Muskulatur wieder optimal arbeiten!
Fazit: Beckenbodenentspannung ist wichtig!
Entspannende Übungen sind ein unverzichtbarer Teil der Beckenbodenyoga Praxis – und du weißt jetzt auch warum! Ich erlebe oft, dass die entspannende Komponente in meinen Kursen einen riesigen Unterschied für meine Kursteilnehmerinnen macht. Denn nicht immer ist ein „zu schwacher“ Beckenboden die Ursache für Probleme. Es lohnt sich, auch mal die andere Seite der Medaille zu betrachten und zu schauen, ob im Gegenteil vielleicht eher entspannende Übungen helfen könnten, den Beckenboden wieder in einen elastisch-funktionalen Zustand zu versetzen.
Übrigens sind entspannende Übungen auch bei vorhandener Organsenkung oder bestehenden Inkontinenzsymptomen ein guter Ausgleich fürs Training! Sie entlasten den Beckenboden und bieten einen Gegenpol zur gewohnten Anspannung, die man sich bei bestehender Symptomatik oft unbewusst angewöhnt.