Wenn ich mich mal richtig ärgern will, muss ich nur an eine meiner Sportlehrerinnen zu Schulzeiten denken, die uns Girls immer vorhielt: „Leistungssportlerinnen erbringen während ihrer Periode Höchstleistungen!“. Übersetzt sollte das heißen: Stellt euch nicht so an und lauft eure 800 Meter, ihr kleinen Jammerlappen. Ich hoffe inständig, die Zeiten für heutige Schülerinnen haben sich geändert. Denn auch 20 Jahre später kann ich sagen: während meiner Menstruation habe ich so gar keinen Bock auf Höchstleistung! Denn mein Körper und nicht zuletzt mein Beckenboden verlangen dann nach Ruhe.
Ein Blick auf die Hormonkurve, die den weiblichen Körper während des Zyklus prägt, bestätigt mein Gefühl: ganz am Beginn eines Zyklus, wenn die Periodenblutung startet, sind die Hormone auf dem Tiefststand.
Alle Hormone down – für viele Frauen bedeutet das: sie fühlen sich müde, erschöpft, abgekämpft. Sportliche Höchstleistungen? No way! Aktuelle Forschung zu zyklusbasiertem Training von Leistungssportlerinnen berücksichtigt das sogar, ARTE hat dazu kürzlich in der Dokumentation „Die Kraft des Zyklus“ berichtet. Sportlerinnen verletzen sich z.B. häufiger in der „schwächeren“ zweiten Zyklushälfte und kurz vor oder während ihrer Periode.
Der Beckenboden ist hormonabhänig
Nach meiner Recherche macht das für mich auch total Sinn, denn: Sowohl die Muskulatur als auch das Bindegewebe sind hormonabhängig. Östrogen stärkt das Bindegewebe, Progesteron entspannt die Muskulatur. Was Leistungssportlerinnen im Extrem erfahren, wenn sie sich während der Periode womöglich sogar häufiger verletzen, erfahren wir durchschnittlich sportlichen Frauen wahrscheinlich zumindest im Beckenboden: der fühlt sich zum Ende des Zyklus und mit Beginn der Menstruation nämlich auch meistens gar nicht so fit an.
Schmerzen im Beckenboden während der Periode kommen häufig vor
Als ich meine Newsletter-Abonnentinnen und Instagram-Followerinnen gefragt habe, welche Themen sie im Zusammenhang Zyklus und Beckenboden interessieren, kamen mehrere Fragen zum Thema Schmerzen während der Periode. Anika zum Beispiel schrieb mir:
Ich habe richtig starke Beckenbodenschmerzen (Druck nach unten) während der Mens. Stehen und Gehen ist total unangenehm. Was könnte hier helfen? Der Gynäkologe war etwas ratlos und hat Mönchspfeffer verschrieben, der aber leider nichts bewirkt.
Anika
Uljana teilt eine ähnliche Erfahrung:
Seit dem zweiten Kind hab ich richtige Menstruationsschmerzen an den ersten Tagen und, was ich noch nie von jemand anderem gehört habe, Beckenbodenschmerzen. D.h. sobald ich länger stehe oder mich viel im Haushalt betätige, habe ich Druck auf dem Beckenboden und er ist wie „erschöpft“. An allen anderen Zyklustagen ist alles ok.
Uljana
Ich kann euch auf jeden Fall sagen, liebe Anika und Uljana, ihr seid mit diesen Empfindungen nicht alleine (erstaunlich übrigens, dass Anikas Gynäkologe da ratlos war. Die beschriebenen Symptome sind eigentlich etwas total normales und Gyns sollten darüber eigentlich bescheid wissen, naja). Ich selbst reihe mich auch ein in die lange Riege von Frauen, die während ihrer Periode Schmerzen im Beckenboden haben. Bei mir äußert sich das durch ein muskelkaterähnliches Ziehen im Beckenboden, meist an Zyklustag eins bis zwei. Ich kann dann nur schlecht Stehen und Gehen und versuche, viel zu liegen.
Auch Druck nach unten und ein Gefühl von Erschöpfung, wie du es beschreibst, kennen sehr viele Frauen. Das kann alles ein Zeichen sein, dass nach deinen Schwangerschaften eine leichte Organsenkung geblieben ist. Aber keine Panik! Organsenkungen sind sehr verbreitet und viele Frauen leben auch mit Organsenkung die meiste Zeit symptomfrei (ich übrigens auch).
Wenn Symptome da sind: schonen, ausruhen, entspannen!
Während der Periode, besonders während der ersten Tage, können sich Symptome aber deutlicher zeigen. Mein Rat wäre dann immer, gut auf den eigenen Körper zu hören. Was vielen Frauen dann gut tut, ist:
- wenig Stehen und Gehen
- stattdessen viel Liegen oder wenigstens Sitzen
- das Becken entlasten (hochlegen wie in Viparita Karani)
- wenn Bewegung gut tut, dann sanfte Beckenmobilisierungen üben
- Wärme auf dem Unterbauch
Diese Maßnahmen sollten Schmerzen und Druckgefühle oft schon besser erträglich machen. Mein Eindruck ist, dass insbesondere wir Frauen einfach große Probleme damit haben, uns einfach mal bewusst zu schonen und auszuruhen. Wichtig finde ich deswegen, dass wir uns klar machen: wir sprechen hier von wenigen Tagen im Monat, in denen unser Körper nach Entlastung ruft. Dafür sind wir schon wenige Tage später (in der energetischen Follikelphase!) schon wieder total in unserer Kraft und können Höchstleistungen erbringen.
Der weibliche Körper funktioniert nun mal zyklisch und es ist gut, wenn wir darauf Rücksicht nehmen – und diese Rücksicht auch von unserem Umfeld einfordern! Klar ärgere ich mich, wenn ich z.B. im Urlaub meine Periode bekomme und deswegen nicht mit ins Museum gehen kann, sondern lieber die Füße hoch lege. Aber ich kann mir mittlerweile zugestehen: so ist es eben, es ist nur ein Tag, morgen oder spätestens übermorgen geht’s wieder besser.
Mit dem Zyklus schwingen
Daher ist mein Rat unbedingt: gewöhne dir an, mit deinem Zyklus zu schwingen! Sei aktiv und leistungsbereit, wenn dein Körper es ist. Und ruhe dich aus, schone deinen Beckenboden, wenn dein Körper danach ruft. Welche Übung dir während der Periode besonders gut helfen kann, um deinen Beckenboden zu entlasten und deinen Körper zu entspannen, findest du hier: Psoas Entspannung.
Außerdem plane ich noch eine kleine Recherche zu beckenbodenfreundlichen Menstruationsprodukten – und freue mich in diesem Kontext auch über deine Erfahrungen. Schreib mir gerne eine E-Mail an sophie[at]kraftruheliebe.de und berichte mir von deinen Problemen oder Erfolgen mit Tampons, Menstruationstasse, FemDisc und Co.!
3 Antworten
Hallo liebe Sophie, danke für deine interessanten Einblicke in den Beckenboden. Ich mache seid drei Monaten beckenbodentraining, Sport und Entspannung. Es geht mir viel besser, bis auf die zeit vor und während der regelblutung. Dann hab ich das gefühl das nichts geholfen hat. Ich könnte vor Schmerzen und Druck nach unten verzweifeln. Mittlerweile ist auch mein rektum betroffen. Auch Blut ist mit bei. Ist die Regel vorbei geht es mir wieder gut. Bin in Kontrolle beim proktologen Frauenärztin hat kein Ohr dafür…was ich sehr traurig finde. Schrenkt mich in meiner Lebensqualität total ein. Habe drei Kinder, bin 49 Jahre alt und in den Wechseljahren. Vielleicht hast du ja noch einen tollen Tipp für den beckenboden. Arbeite als Masseurin und muss oft deswegen meine Arbeit auf Grund der Schmerzen niederlegen…leider. danke im voraus und liebe Grüße Anita
Hallo liebe Anita und danke für deinen Kommentar! Ich schreibe im Rahmen dieser Reihe rund um Zyklus und Beckenboden auf jeden Fall auch noch mal über die Wechseljahre. Da habe ich mich kürzlich ein bisschen fortgebildet und was die Hormone mit dem Beckenboden machen (oder dann eben nicht mehr machen, wenn sie fehlen), ist wirklich spannend und jede Frau sollte darüber bescheid wissen. Ggf. kannst du nach einer Frauenärztin suchen, die offen für Hormonersatztherapie ist und die deine Beschwerden ernst nimmt. Schau dazu mal in diese Liste: https://wexxeljahre.de/arztsuche/.
Dass du Hilfe bei einem Proktologen suchst, ist auf jeden Fall gut. Und auch, dass du bereits Beckenbodentraining machst. Lass dir dann ggf. auch Physiotherapie verschreiben. Eine Liste findest du hier: https://www.ag-ggup.de/therapeutenliste/therapeutenliste-beckenboden/
Liebe Sophie,
danke für diesen aufmunternden und verständnisvollen Artikel! So eine Antwort habe ich mir schon oft von der Gyn gewünscht. Und allgemein werden solche Themen noch viel zu viel tabuisiert. Seitdem ich mich mehr um meinen Beckenboden kümmere bzw. seit ich mich mit meinem Menstruationszyklus beschäftige, geht es mit der Menstruation besser und ich fühle mich der Blutung nicht mehr hilflos ausgeliefert. Deine Seite hat dafür viele gute Tipps, Übungen und Informationen. Super! 🙂