Ist mein Beckenboden zu schwach?

Darum geht's

Pipi-Problem oder Schwächegefühl: Oft steckt kein zu schwacher, sondern im Gegenteil ein zu verspannter Beckenboden dahinter!

Aktuell unterrichte ich eine Gruppe schwangerer Frauen in Prenatal Yoga und werde nicht müde, ihnen immer wieder das gleiche zu erzählen: „Ent-spannt eu-ren Beck-en-boden!“. Klar, wirst du jetzt vielleicht denken. Das ist wichtig für die Geburtsvorbereitung! Ein entspannter Beckenboden hilft dabei, zum Zeitpunkt der Geburt das Baby zu „entlassen“.

Aber ich sage: Nö. Beckenbodenentspannung ist auch nach der Geburt erst mal das Wichtigste! Und ich erkläre dir auch sofort, warum. 😉

Die allgemeine Annahme ist ja oft eine andere. Frag doch mal schwangere Freundinnen, warum sie nach der Geburt einen Rückbildungskurs besuchen wollen. Zum Muskelaufbau natürlich! Denn der Mythos ist weit verbreitet: In der Schwangerschaft und nach der Geburt leidet angeblich die Beckenbodenmuskulatur – und deswegen muss danach ein Beckenboden-Bodybuilding her.

Nun, nichts gegen Bodybuilding. Aber ich bin trotzdem dafür, den forcierten Muskelaufbau auf die großen Muskelgruppen zu beschränken und unseren Beckenboden mit etwas mehr Fingerspitzengefühl zu behandeln. 😉

Zu stark macht schwach

Denn häufiger als man denkt, ist nicht Muskelschwäche das eigentliche Problem, sondern das genaue Gegenteil: Eine permanent und zu stark anspannende Muskulatur macht den Beckenboden nicht etwa extrastark, sondern im Gegenteil ziemlich schwach!

Ich gebe dir mal ein Beispiel: Stell dir vor, du musst kräftig husten. Bei jedem Husten macht dein Beckenboden eine unwillkürliche Bewegung nach unten. Er dehnt sich aus und fängt damit dein Husten quasi im Unterleib ab. Dafür muss dein Beckenboden aber überhaupt erst in der Lage sein, diese flexible Bewegung nach unten ausführen zu können.

Wenn du nun sehr verspannt im Beckenboden bist, ist da nicht mehr viel Spiel. Dein Beckenboden ist so verkrampft, dass er die Flexibilität nicht mehr geben kann. Deine Hustenbewegung bekommt keinen Raum. Der Druck geht über den Bauchraum nach unten, aber kann nicht flexibel aufgefangen werden. Das kann dann sogar zu einer leichten Inkontinenz beim Husten, Niesen oder Lachen führen, die viele Frauen nach einer Schwangerschaft kennen.

Wir merken uns also: Nicht immer ist eine schwache Muskulatur für Pipi-Unfälle oder andere Beckenbodenprobleme verantwortlich. Manchmal bis häufig ist im Gegenteil eher eine zu starke, bzw. verspannte Muskulatur „schuld“ an der Misere.

Starke Muskulatur vs. schwaches Bindegewebe

Dass nach einer Schwangerschaft trotzdem so oft von einem „schwachen“ Beckenboden gesprochen wird, hat aber tatsächlich einen Grund. Dein Beckenboden besteht ja nicht nur aus Muskulatur, sondern auch aus Bindegewebe. Und das wird durch die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft tatsächlich ziemlich weich und nachgiebig. Falls du nach der Geburt stillst, sorgen auch die Stillhormone für ein weiterhin recht weiches Gewebe.

Die Krux ist nun: Viele Frauen spüren, dass untenrum irgendwie alles weich und nachgiebig wird. In der Folge machen sie muskulär erst recht „dicht“. Mir selbst ging es in meinen Schwangerschaften nicht anders. Je weicher mein Bindegewebe wurde, umso mehr wollte ich die Beckenbodenmuskulatur anspannen.

Wenn wir das machen, kommen wir aber in einen ganz blöden Teufelskreis, denn die immer stärker anspannende Muskulatur führt, wie oben erläutert, nicht unbedingt zu einem verlässlicheren Beckenboden. Deswegen müssen wir unbedingt raus aus der Daueranspannung!

(Übrigens betrifft dieses Problem keinesfalls nur schwangere Frauen! Unser Bindegewebe ist je nach Veranlagung sehr unterschiedlich fest oder auch eher schwach. Auch im Alter neigt es leider dazu, nachzugeben. Und ganz grundsätzlich sind Muskelverspannungen im Beckenboden ein sehr übliches Zivilisationsleiden – allerdings eins, von dem die wenigsten wissen.)

Nimm dir die Kraft – aber nur, wenn du sie brauchst

Wie kriegen wir es nun also hin, die Daueranspannung zu durchbrechen und den Beckenboden wieder flexibler arbeiten zu lassen? Klar, mit Entspannungsübungen. Aber auch mit einem noch effektiveren Trick: Ich bringe „meinen“ schwangeren Yoginis im Prenatal Yoga Kurs bei, ihre Rumpf- und Beckenbodenmuskulatur willentlich zu benutzen und kräftig anzuspannen.

Wenn auch du genau das lernst, kannst du dich in Situationen, in denen du Kraft brauchst, schützen – und in allen anderen Situationen entspannt loslassen. Wie genau das geht, liest du hier:

Weitere Blogartikel und Übungen:

Übung: Die äußere Beckenbodenschicht aktivieren

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